Gelbbauchunken, Dohlen, Zauneidechsen, Ringelnattern, Rehe und Gämse leben auf dem Areal der Deponie Unterkobel in Oberriet. Bis vor Kurzem wurden hier rund zwei Millionen Kubikmeter Inertstoffe eingebaut. Jetzt entsteht auf 70’000 Quadratmetern ein neuer Lebensraum.
Autor: Ralph Dietsche
Deponien eilt ein schlechter Ruf voraus. Entsprechend schwierig ist es neue Standorte zu finden. Im Kanton St.Gallen kommt es bald zu Engpässen. Die zweitgrösste Typ B Deponie ist voll. Nur noch wenige Restkubaturen werden in der Deponie Unterkobel in Oberriet angenommen. Diese werden für Anpassungsarbeiten im Gelände verwendet. Während über 20 Jahren wurden hier grosse Mengen an Bauschutt und Aushubmaterial eingebaut. Rund zwei Millionen Kubikmeter insgesamt. Dies entspricht einer Menge von etwa 150’000 vollbeladenen Lastwagen. Angeliefert wurde das Material hauptsächlich aus dem Gebiet von Rorschach bis Buchs und vom Appenzeller Vorderland. Zu Spitzenzeiten lieferten Lastwagen im Drei-Minuten-Takt ihr Material an. Inzwischen ist es ruhiger auf dem Areal der Robert König AG. Betriebsleiter Rolf Lüchinger kümmert sich nun hauptsächlich um die Abschlussarbeiten. Sprich die Pflege und den Unterhalt des sieben Fussballfelder grossen Grundstücks am Fusse von Kobelwald.

Für die Gelbbauchunken wurden während dem Betrieb der Deponie künstliche Laichgewässer angelegt. Inzwischen lebt ein grosser Teil in den natürlichen Tümpeln. Foto: Ralph Dietsche
Artenvielfalt wird gefördert
Auf der Deponiefläche wird angestrebt, die grösstmögliche und langfristig zu erhaltende Artenvielfalt aufzubauen. Ein Ziel, das seit Beginn der Tätigkeiten am Deponie-Standort Unterkobel verfolgt wird. «Für die Gelbbauchunken beispielsweise haben wir während der Bauzeit künstliche Tümpel als Lebensraum angelegt. Jetzt wurden grössere, natürliche Gewässer erstellt», erklärt Roger Dietsche, Technischer Baubegleiter der Wälli AG Ingenieure. Wie ein Augenschein vor Ort zeigt, sind diese Tümpel bereits wieder belebt. Die Aktion scheint funktioniert zu haben. Auch andere Tiere, Insekten und Pflanzen fühlen sich wohl. Von der Zauneidechse über die Ringelnatter bis hin zur Dohle. Einer prioritären Vogelart, deren grösste Kolonie im Kanton St.Gallen sich auf dem Areal der Robert König AG befindet. «Insgesamt sind in unserem Kanton nur noch drei Kolonien bekannt. Eine beim Schloss Rapperswil, die andere beim Schloss Blatten in Oberriet und unsere in der Felswand oberhalb der Deponie», erklärt Roger Dietsche. Damit die Vögel geeignete Nistplätze haben, wurden bereits vor acht Jahren durch die Naturschutzkommission Nistkästen montiert. Anfangs lebten drei Paare in der Felswand, heute sind es 31.

Die Deponie der Robert König AG in Oberriet. Foto: Ralph Dietsche
Deponie mit Vorzeigecharakter
«Die Deponiefläche ist ein Vorzeigebeispiel für die Region. Weitere Deponieprojekte im ganzen Kanton können von der Planung bis zur Endgestaltung von den Erfahrungen aus Oberriet profitieren», lobt der ökologische Baubegleiter Jonas Barandun von der Ökonzept GmbH in St. Gallen. Die Entwicklung der Artenvielfalt im Gelände zeigt das enorme ökologische Potenzial des Deponiestandorts. Durch die enge Vernetzung mit umliegenden Wäldern und Steillagen ergibt sich eine Aufwertung der Naturwerte in der weiteren Umgebung. Um die gute Entwicklung dauerhaft zu sichern, braucht es weiterhin eine fachliche Begleitung und den ständigen Austausch mit Betreiber und Bewirtschafter. Vorläufig kümmert sich noch das Team der Robert König AG um die Pflege des Deponiestandortes. Dazu gehört die Bekämpfung von Neophyten. Schliesslich soll einheimischen Pflanzen der neu geschaffene Lebensraum zur Verfügung stehen. Im obersten Teil der Deponie präsentiert sich die Magerwiese bereits in voller Pracht. Bei der Begehung zeigt sich, dass sich hier auch Rehkitze sicher und wohl fühlen. Im mittleren Teil der Deponie wächst eine Magerweide und im untersten Teil ist wiederum eine Magerwiese. Besonders steile Flächen werden aufgeforstet. Auch dies soll möglichst natürlich erfolgen. So wurden vor ein paar Monaten etwa 40 Kilo Eicheln und neun Kilo Edelkastanien im dafür vorgesehenen Bereich verteilt. Erste kleine Eichelbäume wachsen bereits heran, über 150 Bäume und 100 Wildsträucher wurden gepflanzt.

Das Rehkitz fühlt sich auf der ehemaligen Deponie sichtlich wohl. Foto: Ralph Dietsche
Ökologische Ausgestaltung erfolgt freiwillig
Grundsätzlich hätte die Robert König AG als Deponiebetreiberin nur gerade zehn Prozent der Fläche ökologisch gestalten müssen. Da sich das Gelände zum grössten Teil im Besitz der Deponiebetreiberin befindet und dieses an topografisch idealer Lage ist, wurde entschieden, die ganze Deponiefläche als ökologisch wertvolle Fläche zu gestalten. Roger Dietsche lacht: «Natur- und Artenschutz gehören zu meinen grössten Hobbys. Hier konnte ich mein Hobby zu meinem Beruf machen und mehr für die Natur tun, als vom Gesetzgeber gefordert wird.» Dagegen hat sich Peter Dietsche, der Geschäftsführer der Robert König AG, nicht gewehrt. «Manchmal kann man einen wertvollen Beitrag leisten, wenn man sich nur schon nicht gegen etwas wehrt», lacht er und lobt das Engagement aller Beteiligten. Durch die Kleinstrukturen wie Wurzelstöcke, Steinhaufen und Einzelbäume ist ein vielfältiges Naturparadies entstanden, welches sich in den nächsten Jahren weiter positiv entwickeln wird. Je mehr die Natur den Lebensraum in Beschlag nimmt, desto weniger wird man sich an die Deponie erinnern. Bei der Deponie Unterkobel in Oberriet war der vorauseilende Ruf definitiv schlechter als das Ergebnis. Denn die verfüllte Fläche wird zum Gewinn für die Natur. Damit hat Oberriet ein Vorzeigeprojekt, das wohl über dir Region hinaus an Beachtung finden wird.

Besichtigten die Deponie Unterkobel in Oberriet: Magnus Hälg (v.l.), Amt für Umwelt, Simon Zeller, Amt für Natur, Jagd und Fischerei, Betriebsleiter Rolf Lüchinger, Peter Dietsche, Geschäftsführer der Robert König AG, Gemeindepräsident Rolf Huber und Jonas Barandun, ökologischer Baubegleiter. Foto: pd.