Die Einschränkungen auf Grund der Corona-Pandemie bringt immer mehr Menschen in finanzielle Notlage. Dabei gibt es Personen und Unternehmen, die durch alle Maschen der öffentlichen Unterstützungsmassnahmen fallen. Genau in solchen Fällen will der Verein «zämähäbä» rasch und unbürokratisch helfen.
Selina Beiermann ist 34 Jahre alt. Die Konstrukteurin ist seit Januar auf Jobsuche. «Aktuell sind auf Grund der Corona-Situation fast keine Stellen ausgeschrieben, die nur ansatzweise zu mir passen», bedauert Selina Beiermann. Sie hat sich beim RAV angemeldet und erhält Arbeitslosenentschädigung. 70 Prozent von ihrem früheren Lohn. Gerade genug, um die Rechnungen der laufenden Verpflichtungen zu bezahlen. Geld für das Essen bleibt kaum übrig: «Meine Ersparnisse habe ich auf Grund unvorhergesehener Ausgaben aufgebraucht. Jetzt gehen meine Eltern mit mir einkaufen und bezahlen mir die Lebensmittel. Zudem werde ich regelmässig von Freunden zum Essen bei ihnen eingeladen.» Der Zusammenhalt ist gross. Nicht erst seit dem finanziellen Notstand. Trotzdem möchte Selina Beiermann möglichst unabhängig von ihrer Eltern und Freunden sein. Jetzt gibt es einen Lichtblick für sie. Die arbeitslose Konstrukteurin hat die Unterstützungszusage des Vereins «zämähäbä» erhalten. Eine Organisation, die seit anfangs Jahr national tätig ist. Sie erhält zwar nicht riesige Geldbeträge, aber ein Teil der Kosten für ihre Lebensmittel wird vom Verein übernommen. «Wenn man nicht selbst in dieser Lage ist, kann man sich nicht vorstellen, was dies für mich bedeutet», strahlt Selina Beiermann und ergänzt nach kurzem Überlegen, «es gibt sicher Personen, welche eine solche Unterstützung noch nötiger hätten als ich.» Eine Haltung, die Urs Sutter kennt. Der Initiant und Vereinspräsident von «zämähäbä» weiss: «Die Hemmschwelle Unterstützung anzufordern und diese anzunehmen ist bei jenen welche sie wirklich nötig haben gross. Die meisten setzen alles daran ohne Hilfe und aus eigener Kraft aus der schwierigen Situation zu kommen.»
Unterschiedliche Rückmeldungen auf Initiative
Genau für solche Menschen wie Selina Beiermann hat der im Kanton Schwyz lebende Urs Sutter den Verein «zämähäbä» anfangs Jahr ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Menschen, denen es finanziell gut geht, sollen sich in der ausserordentlichen Zeit solidarisch gegenüber Mitmenschen zeigen, die sich in finanzieller Notlage befinden. «Als erste Massnahme haben wir diverse Politikerinnen und Politiker sowie leitende Staatsangestellte angeschrieben und sie gebeten, einen persönlichen, finanziellen Beitrag zu leisten», erzählt Urs Sutter. Die Reaktionen auf diese Anfragen waren überraschend. Überraschend bescheiden und ernüchternd, um es sanft auszudrücken. «Wir haben nicht viel erwartet, aber der Rücklauf war nochmals viel kleiner als angenommen», gesteht der Vereinspräsident. Es gab aber auch positive Rückmeldungen. Eine von diesen kam vom Thurgauer SVP-Kantonsrat Oliver Martin. Er spendete dem Verein einen Beitrag und bot an, im Thurgau eine Sektion zu gründen, respektive den Verein hier zu vertreten: «Gerade in einer Krise und Pandemie wie der jetzigen müssen wir wieder vermehrt zusammenhalten. Der Staat hilft mittels Darlehen a Fond perdu Beiträgen oder der Möglichkeit auf Kurzarbeitsentschädigung. Leider reicht dies nicht für alle.» Bereits vor dem Erhalt der Anfrage vom Verein «zämähäbä» hatte Oliver Martin die Idee, dass sich auch Politikerinnen und Politiker persönlich und nach eigenem Ermessen an der Bewältigung der Krise beteiligen sollten. Die angedachte Idee, eine Stiftung oder einen Verein zur Unterstützung zu gründen, kam allerdings nicht zustande. Bis Oliver Martin von Urs Sutter angeschrieben wurde.
«zämähäbä» soll Bewegung auslösen
Oliver Martin und Urs Sutter haben ein klares Ziel vor Augen und wollen Hilfsbedürftigen zur Seite stehen und ihre finanziellen Sorgen lindern. Um an die dazu nötigen finanziellen Mittel zu gelangen, motivieren sie ihr Umfeld die Bewegung «zämähäbä» zu unterstützen und deren Bekanntheit zu erhöhen. Denn für grosse Werbekampagnen fehlt das Geld: «Die Spenden sollen den Bedürftigen zu Gute kommen und nicht für irgendwelche Marketingmassnahmen ausgegeben werden.» So gelang Oliver Martin an Hans Notz von der Müli Bräu in Altnau. Die beiden kennen sich von Schwingfesten. Anlässen, die aktuell aus bekannten Gründen nicht stattfinden. Rasch war die Idee geboren, dass die Müli Bräu ein Bier mit einer speziellen Etikette lanciert und so auf den Verein «zämähäba» aufmerksam macht. «Nebst dem Vereinsloge haben wir auf der Etikette auch einen QR-Code platziert, welcher direkt auf die Homepage des Vereins führt», erklärt der Bierbrauer. Mit dieser Massnahme wird bei den Bierkonsumentinnen und -konsumenten für die «zämähäbä»-Bewegung geworben. Zudem spendet die Müli Bräu pro verkaufte Flasche dieses Bieres 20 Rappen an den Verein. Bier trinken macht so doppelt Freude. Oliver Martin ist zuversichtlich: «Wer weiss, vielleicht gibt es weitere Firmen oder Organisationen, welche dem Verein «zämähäbä» mit einer speziellen Aktion zu Bekanntheit verhelfen wollen oder die unser Engagement unterstützungswürdig finden.»
Auch die mentale Hilfe zählt
Inzwischen hat der noch junge Verein rund 12’000 Franken gesammelt. 3’000 Franken davon hat er bereits wieder als Unterstützungsbeiträge gesprochen. «Unser Einsatz ist ein Tropfen auf einen heissen Stein. Wer weiss, vielleicht können wir aber damit auch Menschen dazu animieren, sich in ihrem persönlichen Umfeld solidarisch zu zeigen. Eben «zämähäbä» und schwierige Zeiten gemeinsam durchzustehen», erklärt Urs Sutter. Für ihn persönlich zählen nicht nur die nackten Zahlen, sondern auch die Symbolik. Gerade für betroffene Personen ist diese Haltung und die Bereitschaft, dass sich «jemand» ihrem Problem annimmt und diesem Gehör schenkt, ebenso wichtig wie der finanzielle Zustupf. Selina Beiermann auf jeden Fall ist dankbar, dass sich Freiwillige im Verein «zämähäbä» für Menschen in finanzieller Notlage annehmen und es Personen und Unternehmen gibt, welche uneigennützig den Verein mit grösseren und kleineren Spenden unterstützen. Und wer weiss, vielleicht wird auf einmal aus einem Unterstützer ein Empfänger der Leistung oder umgekehrt. Selina Beiermann gesteht zum Schluss: «Ich hätte mir niemals gedacht, dass ich je einmal in diese Situation kommen könnte. Manchmal geht es schneller als man denkt.» Nun hofft sie, dass sie möglichst rasch einen neuen Job als Sachbearbeiterin oder Konstrukteurin findet und damit wieder selbständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen kann.
Weitere Informationen zum Verein «zämähäbä» und dessen Thurgauer Untersektion gibt es unter www.zaemaehaebae.ch. Über die Homepage können sowohl Unterstützungsanträge eingereicht, wie auch Spenden getätigt werden.