Im neu erschienenen Buch «moralisch defekt» erzählt die Autorin Lisbeth Herger die Geschichte von Pauline Schwarz. Das Buch handelt von einem Dienstmädchens, das in Buchs geboren und aufgewachsen ist. In jungen Jahren geriet sie in den Kreislauf von Strafanstalt, Psychiatrie und Versorgung. Dies, weil sie sich gegen Behörden widerständig zeigte.
Das Schicksal von Pauline Schwarz ist ein Stück eindrückliche Sozialgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert. Sie zeigt unter anderem das enge Zusammenwirken von Justiz und Psychiatrie bei der administrativen Versorgung und im Umgang mit straffälligen Frauen auf. Die Burghözli-Diagnose von 1941 erklärte Pauline Schwarz als «moralisch defekt», unheilbar, da genetisch bedingt. Die Buchautorin Lisbeth Herger ist Spezialistin für die Aufarbeitung von Frauenschicksalen fern glamouröser Erfolgsgeschichten.
Der Versuch Wohlstand zu erschleichen
Mit Pauline Schwarz (1918–1982) nimmt sie sich des Lebens einer Dienstmagd an, die in ärmlichen Verhältnissen in der Ostschweiz aufwuchs. Sie heiratete jung, wurde mehrmals Mutter, und ihr Lebensweg schien so wie derjenige von Tausenden ungebildeter Frauen aus der Unterschicht vorgezeichnet. Doch Pauline Schwarz (ein Pseudonym) zeigte sich widerspenstig, lehnte sich gegen den Willen ihrer verschiedenen Ehemänner auf und versuchte, sich mit kleinen Diebstählen und Betrügereien etwas Wohlstand zu erschleichen. Gefängnis und psychiatrische Untersuchungen waren die Folge, denn ihr Verhalten entsprach nicht dem gängigen Rollenbild. Im Gutachten der Zürcher Klinik Burghölzli von 1942 wurde sie erstmals als «moralisch defekt» bezeichnet. Lisbeth Herger sichtete die ausgezeichnete Quellenlage und durchforstete psychiatrische Gutachten, Gerichtsurteile, Vormundschaftsakten und Scheidungspapiere. Das umfangreiche Material hat es ihr ermöglicht, packend das Leben einer Frau aus der Unterschicht zu schildern, dabei das Zusammenwirken von Strafjustiz und Psychiatrie zu beleuchten und in die damalige Praxis der administrativen Versorgung einzubetten.
Lisbeth Herger ist Journalistin und Autorin. Bei Hier und Jetzt sind von ihr bereits «Zwischen Sehnsucht und Schande» (2013), «Unter Vormundschaft» (2015) sowie «Lebenslänglich» (2018) erschienen. Sie lebt in Zürich.
«moralisch defekt»
Pauline Schwarz zwischen Psychiatrie und Gefängnis
Lisbeth Herger
248 Seiten, gebunden
Print 978-3-03919-484-1
E-Book 978-03919-954-9