Karoline Motzer und Karin Saxer hatten eine für sie aussergewöhnliche Begegnung: Sie trafen am Mittwoch auf dem Heimweg in Eichberg auf einen Wolf. Während die Begegnung mit dem Wolf im Siedlungsgebiet bei ihnen ein mulmiges Gefühl auslöste, ist dies für Experten keine Besonderheit.
Autor: Ralph Dietsche
«Er stand mitten auf der Strasse, als wir ihn fotografierten», sagt Karoline Motzer über die Begegnung mit dem Wolf. Das Foto entstand am Mittwochabend gegen 19:30 Uhr. Für sie und ihre Begleiterin Karin Saxer war sofort klar, dass es sich um einen Wolf handeln muss. Anhand des Fotos geht Dominik Thiel, Leiter vom Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St.Gallen, ebenfalls davon aus, dass es sich um einen Wolf handelt: «Wir erachten das Tier auf dem Foto als Wolf. Hundertprozentig ist eine Bestimmung anhand von Fotos aber kaum möglich.» Wölfe in Siedlungsnähe sind laut dem Fachmann keine Seltenheit mehr: «Wir haben im Moment regelmässig Wolfsmeldungen im Gebiet Rheintal und den Gebieten in den benachbarten Kantonen Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden.» Deshalb ist die Beobachtung der beiden Frauen für ihn nichts Aussergewöhnliches: «Wölfe auf Wanderschaft können im ganzen Kanton auftreten.» Schliesslich seien Wölfe Wildtiere wie alle anderen auch.
Wolf vor der eigenen Haustür
Karoline Motzer, die Gastgeberin des Restaurants Hölzlisberg, hat nicht damit gerechnet, dass sie jemals einem Wolf vor der eigenen Haustüre begegnen wird. Andere Wildtiere hingegen seien keine Seltenheit. Dabei denkt sie an den Fuchs, Rehe, Hasen und Gämse. «Ein Wolf ist aber schon nochmals etwas anderes», sagt die leicht verunsicherte Eichbergerin und berichtet weiter von ihrer Begegnung, «als der Wolf stehen blieb und zur Seite schaute, hatte er just die Hühner unserer Nachbarin im Blick.» Ist also gut möglich, dass Karoline Motzer durch die Begegnung mit dem Wildtier den Hühnern das Leben gerettet hat. Sie glaubt, dass der Wolf krank oder verletzt sein könnte: «Er spazierte gemütlich auf der Strasse weiter. Der Wolf hatte allerdings keinen schönen Gang.» Karoline Motzer und Karin Saxer beobachteten das Tier auf Distanz von ihrem Auto aus.
Mit Respekt begegnen
Angst vor einer Wolfsbegegnung muss die Bevölkerung laut Dominik Thiel nicht haben. In Europa kam es extrem selten zu Angriffen von Wölfen auf Menschen. Dies geschah beispielsweise, wenn Wölfe an Tollwut erkrankt waren (die Schweiz ist tollwutfrei), die Wölfe angefüttert wurden und dadurch sich an Menschen gewöhnten oder wenn sie in die Enge getrieben wurden. Deshalb raten Experten Wölfen mit dem nötigen Respekt zu begegnen und Distanz zu halten. Zudem sollte vermieden werden, Wildruhezonen und bekannte Einstandsgebiete des Wildes zu betreten. Wer einem Wolf begegnet, soll den Moment geniessen und die Begegnung dem Wildhüter melden. Genau dies machte auch Karoline Motzer. Im Merkblatt «Wölfe vor unserer Haustüre» wird dringend davon abgeraten Wölfe zu füttern. Weiter heisst es: «Wölfe ziehen sich in der Regel zurück, sobald sie Menschen bemerken.» Genau dies machte auch der «Eichberger» Wolf. Er begab sich nach der Begegnung mit den beiden Frauen Richtung Wald. Was bleibt ist ein unvergessliches Erlebnis, ein paar Fotos und Gesprächsstoff. Abschliessend sagt Karoline Motzer lachend: «Vielleicht wollte uns der Wolf im Restaurant besuchen. Wir haben allerdings erst wieder ab März offen.»