Knapp ein halbes Jahr ist es her, dass ich beruflich einem Kongress zum Thema „Führung“ beiwohnen durfte. Viele „wichtige“ Menschen aus der Wirtschaft wohnten dem Anlass bei. Prominente Redner gaben den Anwesenden in verschiedenen Referaten charismatisch ihr Wissen weiter. Auch ich lauschte den Worten interessiert und versuchte die dargebotene Schablone auf mein Leben und meine Situation als sogenannte Working-Mom zu übertragen.
Noch heute arbeiten gewisse Aussagen in mir – im positiven wie auch ganz klar im negativen Sinne. Was hab ich mich über gewisse Aussagen von meinem Plätzli aus aufgeregt. Perfekt also, um etwas zu lernen. Veränderung geschieht ja logischerweise nur, wenn ein Stein ins Rollen gebracht wird. Und dieses Anschupsen ist nicht immer nur rosarot und mit Geigengedudel untermalt.
Zurück zum Event. Schaut man bei solchen Podien jeweils in die Runde, so stellt man schnell fest, dass schätzungsweise 85 Prozent der Anwesenden Träger eines X- sowie eines Y-Chromosoms sind. Männer also. Ich weiss, ich weiss, mit diesem Fact kratze ich niemanden. Alles alter Käse. Dennoch: Auch bei den Rednern ist die Mehrheit immer männlich. Abgesehen von der sogenannten Quoten-Frau. (Schon dieser Name..Aber ja.)
Und als ich so auf meinem Stüehli sass und den Worten lauschte, wie Führung denn nun geschehen soll, da durchfuhr es mich wie ein Blitz: Lieber Männer (Sorry, jetzt pauschalisiere ich.), liebe Gewerbetreibende, liebe (Aachtung, jetzt kommt ein ganz wichtiger Ausdruck) Kaderleute von der Chefetage: Fragt doch mal eine Mutter nach ihrer Sicht zum Thema Führung. Die kann euch ganz viel Essentielles darüber erzählen. Die arbeitet an der Front und bildet sozusagen die Mini-you’s von morgen und übermorgen aus.
Ich frag mich ganz ernsthaft: Warum werden Mütter nicht eingeladen an solche gescheiten Anlässe? Ja, eigentlich weiss ich was ihr jetzt denkt: Diese frustierte, alte Mutti mit Emanzentouch. Soll sie doch daheim bleiben und bitz staubsaugen. Gell, das denken Einige von euch in diesem Moment.
Aber ich sag euch jetzt mal was: Als Mutter und ausgebildetete Lehrperson weiss ich ziemlich genau wie der Karren läuft. Denn das musste ich am Anfang meiner Karriere zum Teil schmerzlich erfahren:
Niemand, wirklich niemand ist so ehrlich, schonungslos und unmittelbar in Rückmeldungen wie Kinder. Genau deshalb liebe ich sie so.
Denkt ihr jetzt: „Ou, die meint sie het d Wiisheit mit em Löffel gfresse?“ Mir egal. Sehr egal imfall. Ich mache jeden Tag mindestens 359 Fehler. Und ja, bei mir läuft die Situation jeden Tag zig Mal aus dem Ruder. Aber mein ganz persönliches Führungs-Geheimrezept, das kenne ich. Und das Beste: Ich bin nicht mal so fies, wie die Sennen in der Appenzellerwerbung – ich verrate euch mein Rezept.
Führung stützt aus meiner Sicht auf einen einzigen, absolut fundamentalen, Pfeiler. Nicht Leistung, nein ihr Lieben, sondern Beziehung. Und auch hier gibt es zwei wichtige Schlagwörter: Empathie und Kongruenz.
Empathie bedeutet so viel wie Einfühlungsvermögen. Ein Chef kann nur Leistung erwarten, wenn er feine Antennen für seine Angestellten hat. Kennt ihr wahrscheinlich alle aus vielen möglichen Situationen, oder? Wenn ich mich gut aufgehoben fühle und ernst genommen werde, dann bin ich bereit auch über das Soll zu arbeiten und zusätzlich Effort zu betreiben. Schliesslich machen Beachtung, Zuwendung und Aufmerksamkeit süchtig. Alle von uns. Wir alle sind ganz tief in uns auf der Suche nach „gehört- und verstanden-werden“, jaha auch die kältesten Eisbrocken. Glaubt mir das.
Kongruenz heisst, dass ich es mir auch anmerken lasse, wenn mich etwas anscheisst. (So sorry, aber ich kann es erklären. Diese Wortwahl habe ich gewählt, dass es auch der Hinterletzte versteht.) Ihr kennt das. Alle. Menschen, die dauernd ein Pokerface machen, oder sogar lächeln, wenn es einfach nur himmeltruurig ist, möchte man nicht um sich herum. Glaub mir: Ich schimpfe jeden Tag. Laut und bestimmt. Ich lege die Karten auf den Tisch.
Frust, der heruntergeschluckt wird, macht bitter. Und bitter steht uns Menschen nicht. Also „schimpft“. Gebt Rückmeldungen. Aber gebt sie sachlich. Und, ganz wichtig: Lobt! Lobt ausgiebig, aber echt. Sagt, wenn euch etwas gefällt, aber nur, wenn ihr es auch wirklich fühlt. Bekräftigt eure Mitarbeiter auch vor Anderen. Denn auch Lob macht süchtig. Und wenn ich sehe, wie andere gerühmt werden, spornt mich das an. Ich garantiere es euch, das funktioniert.
War gar nicht so schwer bis jetzt, oder? Und das Beste: Wir sind schon fertig! Zwei kleine, harmlose Wörter und wir sind durch. Die Umsetzung ist nicht ganz so einfach. Das ist wie im Zirkus bei den Akrobatinnen, die so locker flockig rumgumpen. In Echt ist es ein Knochenjob. Aber es lohnt sich.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse beschreiben, dass soziale und emotionale Intelligenz in Zukunft wichtiger sein wird, als ein hoher Intelligenzquotinent. In Zeiten, wo wir alles Wissen auf Knopfdruck beschaffen, berechnen und ausspucken lassen können, ist das für mich ein absolut einleuchtendes Ergebnis. Und ich mag es total!
In diesem Sinne plädiere ich für mehr Echtheit und ich bin sicher, dass dann auch das mit den Zahlen und Billanzen „fast vo ellai flutscht“. So, und jetzt freue ich mich auf Einladungen zu mega wichtigen Kongressen. Und – nicht zu vernachlässigen – auf den anschliessenden „soziale Intelligenz Trainingsapéro“. Proscht!