Sind wir nicht alle ein bisschen müde?
Liebe Eltern, Hand aufs Herz.
Fühlt ihr euch jung und knackig wie ein waschechter DINK? (double incom, no kids). Eine(r), der Wochenende und Ferien so definiert, wie es sich eigentlich gehört. Mit Freiheit, Zeit für sich, Nichts muss und Alles kann? Fühlt ihr euch leicht, faltenfrei und bereit die Welt in einem einzigen Tag zu erobern?
Oder eben (auch) nicht? Schwirrt die Müdigkeit wie ein treuer Begleiter über euch und folgt euch von den frühesten Morgenstunden bis Mitten in der Nacht, wenn ihr euch mit letzter Kraft ins Bett hievt?
(Es folgt ein gut gemeinter Expertenrat: Boxspringbetten stellen eine besonders hohe Herausforderung dar und sollten von Eltern gemieden werden. Wegen zu hohem Kraftaufwand.)
Also ich BIN müde. Permanent. Und inzwischen glaube ich, dass ihr das alle seid! (Auch wenn es Einige nicht zugeben und mit einer dicken Concealerschicht unter den Augen weglächeln.)
Vor etwa sechs Jahren, als ich mein Schreibaby stillte und dementsprechend ungewohnte, heilige Ruhe herrschte, genehmigte ich mir eine Runde Surfing (nicht in the USA, sondern in the Internet. Mama ist ja genügsam).
Dort las ich ein Interview mit einer bekannten Showmasterin aus Deutschland, welche mir meine letze Hoffnung raubte, indem sie sagte:
„Ich glaube ehrlich gesagt als Mutter ist man immer müde. Das ist ein Dauerzustand und geht nie weg.“
Und genau in diesem Moment realisierte ich, dass diese Dame mit ihrem Statement den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Müdigkeit und Muttersein (Väter sind auch herzlich willkommen im Club) gehören zusammen wie Adam und Eva. Halleluja! Der „Vertrag“ ist nicht kündbar. Nie.
An genau dieses lehrreiche Erlebnis dachte ich heute Nacht, als mich ein Schrei um 2:50 aus dem wohlverdienten, leichten Muttischlaf riss. Das war nämlich so:
„Maaaaammiiiii“, tönt es aus dem Babyphone. Und nochmals: „Maaaaamiiiiii!“
Ich reibe meine Augen und hoffe, dass dieser Ruf ein Teil eines eben zu Ende geträumten Traums gewesen ist.
Aber nein, das wäre zu einfach.
„Maaaamiiiii!“ Soll ich so tun, als würde ich nichts hören? Der Schrei tönt nicht ängstlich oder negativ, vielleicht hatte das Kind ja einfach das Bedürfnis meine Funktion in die Nacht hinaus zu rufen…
„Maaaamiiiiii!“
Neben mir atmet mein Mann ein uuuund aus, ein uuuuund aus. Soll ich ihn stupfen und so tun, als wäre es ein Versehen gewesen? Dann wäre er wach und könnte nachsehen gehen. Himmel! Schlafentzug scheint aus mir ein fieses Wesen zu machen…
Also los Mutti auf mit dir. Wieder einmal siegt mein Pflichtbewusstein. Nicht gerade begeistert schlurfe ich ans andere Ende unseres Hauses zu den Kinderzimmern. Ich stehe im Schein des farbenwechselnden Nachtlichtes meiner Tochter und denke unweigerlich an meine Discozeit vom letzten Jahrtausend. Yay, wenn ich fitter wäre, würd ich bei dieser Beleuchtung sogar bitz mit dem Fudi hin und her guaggeln: Night fever, night fever… Aber meinen Knochen ist so gar nicht nach tanzen zu Mute.
„Jaaa Töchterli, was liegt dir auf dem Herzen?“, krächze ich in einem einigermassen diplomatischen Tonfall. „Hallooohoooo, alles ok bei dir?“, dopple ich nach, als die Antwort ausbleibt. In diesem Moment tönt es vom Nebenzimmer in vertrauter Manier: „Maaaaammmiiii!“
Hoppla, falsches Zimmer. Also trabe ich los zu Kind Nummer 2. Mein Sohn (4) strahlt mich an, als er mich sieht: „Mami, ich han dir welle säge, dass ich dich sooooooo gärn han.“
Ich weiss gerade nicht, ob ich vor Entzücken schmelzen, oder vor Müdigkeit auf den Tierliteppich des kleinen Charmeurs sinken soll. „Ich dich auch. Mega fest. Äh, danke für die spontanen Worte mein Sohn. Gäll, manchmal muss es einfach raus. Eine gute Bettruhe wünsch ich dir.“, antworte ich und trete den Rückzug an. Raus aus dem Kinderzimmer und rein in mein Bett. Hiiiiieeevvvvvv, geschafft!
Kaum liege ich, höre ich das so vertraute „Maaaaamiii“. Und es ist, als würde in meinem Leben gerade zum zigsten Mal die Repeattaste gedrückt.
Ich galoppiere zurück! Zum Kind. Währenddessen schwöre ich mir innerlich meinem Hausarzt beim nächsten (fiesen) Nachfragen seinerseits, ob ich denn nun endlich Sport machen würde mit einem stolzen „Klar, Ausdauertraining. Bis zum Exzess.“ zu antworten und siegessicher zu grinsen. Vielleicht zeige ich sogar das Peacezeichen.
„Mami, ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich einen Alptraum hatte.“
Ach so. Dann war das andere vorher nur die Einleitung sozusagen. Guuuut!
Was bleibt mir anders übrig: Am Ende sehe ich mich selbst, wie ich Nachts um drei mit letzter Kraft eine Matraze aus dem Fitnessraum (der diese Bezeichnung nicht verdient hat, Abstellraum wäre wohl passender) in das elterliche Schlafzimmer schiebe. Den Boden hätte ich somit auch gerade wieder einmal geputzt. Ich Optimistin finde doch echt überall noch eine gute Seite.
Um 3:20 liegen wir finalmente. Ich im Bett, mein Kind am Boden neben mir auf seiner Matraze. Und als ich schon fast wieder eingeschlafen bin und mich voll darauf freue, dass der Wecker in zwei Stunden und vierzig Minuten schrillt, flüstert der Kleine von unten herauf „Das war jetzt aber schön!“
Und ich beschliesse: Muttersein ist toll. Aber so eine Nachtnanny. Das wärs. Morgen schreibe ich mir ein Post-it: „Nachtnanny besorgen.“ Weil sonst vergesse ich das.
Annina Dietsche-Veit