Wie die Zahnfee mein sonst so idyllisches Sonntagserwachen störte
Oder
Warum die Zahnfee und ich niemals beste Freundinnen werden können
Eigentlich mag ich keine Zahnfeen. Wirklich. Die Vorstellung, dass ein graziles Wesen durch die Luft flattert und winzige Gebissteile von Heranwachsenden einsammelt (Pass auf Madame, wenn so ein Milchzahn runterfällt findest du ihn niiiiie wieder. Ich spreche aus Erfahrung!) finde ich nicht gerade prickelnd. Ebenso, dass sie im Gegenzug ein „Gschenkli“ unters Kissen legen soll. Mal ehrlich, stellt euch mal das Geschleppe vor.
Nun, gestern Abend beim Zubettgehen stüpselt mich meine Tochter energisch am Oberschenkel. „Maaaami“, raunt sie verschwörerisch. „Ich hab mich entschieden meinen herausgefallenen Zahn heute Nacht der Zahnfee mitzugeben“, eröffnet sie mir stolz.
„Ich will auch! Ich brauch auch einen Zahn. Sofort!! Ich reiss mir jetzt einen raus!“, tönt es aus Zimmer zwei vom jüngsten Spross (zarte 3 Jahre alt). Er erscheint mit seiner Spielzeugzange und fingert mit der Präzision eines Baukrans im Mund herum. Jesses!
Moment! Zahnfee? Die gab es früher nicht! Hää? Und wieso bin ich eigentlich die Einzige, die rein gar nichts versteht?
Irgendwann ist Ruhe im Haus (Yesss!). Der Zahn liegt verpackt in einem schönen Säckli unter Tochters Kopfkissen. Und ich schleiche grazil wie eine Fee ins Zimmer, streichle über das schwitzige Köpfli, um zu prüfen ob das Kind schläft und ziehe mit einem Ruck den Schatz hervor. Ich haaabs! Unbeschreiblich dieses Glücksgefühl! Vielleicht sollte ich mich als Zahnfee selbstständig machen?!
Es ist Sonntagmorgen, 6:30. H-a-l-b S-i-e-b-e-n. Ein Schrei durchfährt die Stille und kurz darauf tapptapptapptapptapp steht Töchterlein mit glänzenden Augen neben mir. „Die Zahnfee hat mir einen Batzen und Glitzerpailetten geschenkt“, jubelt sie. „Mami, komm schnell!“
Schnell! Das ist für mich momentan das letzte Wort, welches ich hören möchte. Und dennoch setze ich mein schönstes Sonntagsmorgenumhalbsiebenlächeln auf und hieve mich aus dem Bett. Die feenhafte Grazie von letzter Nacht hat sich verabschiedet und als ich am Spiegel vorbeischlurfe erschrecke ich. Bin das ich oder schaue ich in das Antlitz eines Riesenlanghaarmeerschweinchens? (Kopfkino, schö, gäll…)
Im Nebenzimmer raschelt es und Sohnemann erscheint fit und gesellschaftstauglich wie aus dem Nähtruckli im Mädchenzimmer. Seine Miene verschlechtert sich, als er die Feenüberraschung sieht. Und er beschliesst sich jetzt würkli und im Ernst einen Zahn zu ziehen. Schliesslich will er auch so ein Glitzersäckli.
Als meine Tochter mir daraufhin eröffnet, dass sie mit dem Geld nun eeendlich ihr ersehntes Bäbi (Puppe) kaufen kann, gerate auch ich leicht aus der Fassung. Waaas? Bäbi Nummer 179 soll einziehen? No way! Spar es doch, dann kannst du dir später mal ein schönes Auto leisten. (Früher hätte ich mich für so einen Spruch eingesperrt…)
Es wird diskutiert, diskutiert und diskutiert. Schlussendlich hocken alle in ihrem Zimmer: Tochter zählt ihr Geld und durchblättert Spielsachenkataloge, Sohn versucht sich verzweifelt einen Zahn zu basteln, weil es mit Rausnehmen (zum Glück) nicht geklappt hat und ich sammle im ganzen Haus Glitzerpailetten und freue mich schon gewaltig auf den nächsten Gwaggelzahn.
Annina Dietsche-Veit